Dienstag, 24. Februar 2009

Manfred Eigen "Darwin ist tot - es lebe Darwin!"

In seinem berühmten Buch "STUFEN ZUM LEBEN" (Serie Piper, Band 765) schreibt der Nobelpreisträger Manfred Eigen, dass die kausale Kette: Replikation -> Mutation -> Selektion -> Evolution nur weitab vom thermodynamischen Gleichgewicht gilt. Aus der Abfolge chemischer Bausteine wird eine lesbare Sequenz von Symbolen: Information. "Von nun an werden in diesen Sequenzen die Baupläne aller Lebewesen niedergeschrieben, bis hin zum Menschen." Und er weist nach, dass die Zeit vom Erkalten der Erde bis zur Entstehung des Lebens ausgereicht hat, wenn die Evolution bereits auf molekularer Ebene in einem vieldimensionalen Sequenzraum auf kurzem Wege gezielt zu einem optimalen Wertgipfel verlief. Der vergleichsweise langsame Prozess der Auslese durch äußere Umweltbedingungen, den Darwin und seine Kollegen sich (als Pioniere!) zunächst ausgedacht hatten, hätte in der verfügbaren Zeit nicht zur Entstehung des Lebens geführt, obwohl er (zusätzlich) eine Rolle spielt. Eigen schreibt dazu: "So ergibt sich - im Widerspruch zur klassischen Interpretation - eine interne Lenkung des Evolutionsprozesses in Richtung auf den optimalen Wertgipfel, und diese ist - bedingt durch die hochgradige Vernetzung der Wege im multi-dimensionalen Sequenzraum - außerordentlich wirksam. Die hieraus resultierende Evolutionsbeschleunigung ist quantitativ so erheblich, daß die für den Biologen überraschende Qualität einer "vorausschauenden" Selektion vorzuliegen scheint - im Sinne der klassischen Interpretation Darwinscher Selektion reine Häresie!"

Und dann schreibt Eigen weiter über seine durchgeführten Evolutionsexperimente im Labor: "... dies ... gründet sich auf die ... Konzepte von Sequenzraum und Quasispezies. Diese Konzepte passen nahtlos in eine neue Physik der Nicht-Gleichgewichtszustände, in der die klassischen Symmetrien gebrochen sind. ... Neu ist das Detail im Selektions- und Evolutionsverhalten. Komplexität und Teleonomie der lebenden Substanz wären ohne dieses Detail nicht zu begreifen. Geblieben ist und fortleben wird Darwins Idee, das Prinzip einer Evolution durch natürliche Selektion." In diesem Sinne auf molekularer Ebene neu interpretiert versteht man den Titel von Eigens Schlußwort: "Darwin ist tot - es lebe Darwin!"

Bei allen Vorträgen im Darwin-Jahr findet sich der Name Manfred Eigen leider nicht. (Zumindest habe ich keinen Hinweis gefunden.) Frage:

Ist dieser Nobelpreisträger heute vergessen, der die Evolution des Lebens von der Materie bis zu heutigen Lebensformen erforscht und seine Erkenntnisse in praktischen Evolutionsmaschinen angewendet hat? Oder wurde er absichtlich nicht als Weiterentwickler von Darwins Evolutionsidee erwähnt?

Ergänzung: es gibt hierzu noch einen weiteren Band aus der Serie Piper (Band 921):

Manfred Eigen, "Jenseits von Ideologien und Wunschdenken, Perspektiven der Wissenschaft." Darin wird unter anderem auch diese Thematik in Form von Vorträgen behandelt, etwas eingängiger formuliert für ein breiteres Publikum.